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Illbleed

geschrieben von Andreas Wende

Hersteller: AIA / Crazy Games
Genre: Survival-Action-Adventure
System: Dreamcast, US-Version
Besonderheiten: VGA-Box
USK (ESRB): M - Mature
Spieler: 1
Testmuster von: Eigenimport

BoxMan sieht es auf den Messen und auch die rapide kürzer werdenden Release-Listen zeigen deutlich: Im Grunde ist Dreamcast hierzulande schon tot. Nötiger denn je wird da der Blick nach Übersee, wo wenigstens noch ein bißchen Leben in Segas letzter Hardware steckt. Lest hier, ob das in den USA verhältnismässig dürftig bewertete Grusel-Adventure Illbleed doch noch etwas frisches Leben in die siechen heimischen Konsolen bringt, oder ob Ihr das Geld dann doch lieber schon mal für die aktuelle Sony-Hardware reservieren solltet.

Die Story
Ob Geisterbahn, Vampirschloß oder Dämonenvilla, richtig gefährlich wird es in Freizeitparks wie dem Phantasialand höchstens mal, wenn die Holzachterbahn brennt. Dagegen ist der Illbleed Theme Park des Horrorfilmers Michael Reynolds schon von ganz anderem Kaliber. Eine Ansammlung thrashiger B-Movie Attraktionen, die keinen Besucher kalt lassen dürften.

Denn in Illbleed geht es nicht um gepflegten Pappmaché-Grusel herkömmlicher Parks, sondern knallhart um Geld oder Leben! Wer von Michael Reynolds Parkgästen es nämlich schafft, die sechs Attraktionen des Parks lebendig wieder zu verlassen, dem winken Preisgelder von bis zu 1 Million Dollar und wer es nicht schafft... ? Nun, der ist halt tot, eine andere Alternative ist nicht vorgesehen. So wie es im übrigen schon den drei Freunden der Hauptdarstellerin Eriko Christy gegangen ist...

Selbstredend verschenkt der abgedrehte Filmmogul nicht gern sein Geld und so könnt Ihr Euch auf eine lebensgefährliche Tour gefasst machen. Schwerer kann man Preisgeld nicht verdienen! Ob im "Home Run of Death" oder der "Revenge of the Queen Worm", dem Ausflug in den mörderischen "Killer Department Store" oder den anderen kranken Attraktionen des Parks: Jede Location ist gespickt mit unzähligen tödlichen Fallen, verschiedenartigsten Gegnern und monströsen Bossen.

Das Gameplay
Im Prinzip kommt Illbleed erstmal wie ein ganz gewöhnliches 3D Adventure in Third-Person Perspektive daher. Wer nun aber verleitet durch dieHorror-Thematik z.B. an ein Spiel wie Resident Evil denkt, der wird schnell entäuscht sein. Zu schnell wahrscheinlich, denn Illbleed ist einfach so ungewöhnlich, das schon eine Weile vergehen kann, bis man sich damit anfreunden kann. Denn mit Monsterslaying ist die Sache bei weitem nicht getan. Obwohl es natürlich auch Kampfsequenzen gibt, werden Euch Eure Kampfkünste auch dann nicht ans Ziel bringen, wenn Ihr sie Euch mühsam in Racoon City erworben habt!

Ihr startet in den "Homerun of Death" - alle Stages müssen linear abgearbeitet werden - mit nichts als Erikos Fäusten und einer Handvoll Items, vorausgesetzt Ihr habt Euer kleines Startkapital schon sofort im Park-Shop ausgegeben. Um ein möglich großes Stück vom Preisgeld-Kuchen abzuschneiden, müsst Ihr nun bestimmte Vorgaben möglichst exakt erfüllen, z.B. Zeitlimits einhalten, Euren Puls unter einem bestimmten Wert halten, oder eine bestimmte Anzahl von Fallen deaktivieren.

Apropos Fallen: Wesentlich gefährlicher als die sporadisch auftretenden Gegner sind die zahlreichen, unsichtbaren Fallen (Übrigens sind nicht nur Fallen, sondern auch die herkömmlichen Gegner und leider auch alle Items unsichtbar!). Ihnen kommt Ihr nur bei, wenn Ihr zu Anfang einer Stage den sogennannten Horror-Monitor findet, eine seltsame Spezialbrille, die Euch Gefahrenpunkte anzeigen kann und diese markiert, sodaß Ihr sie gefahrlos passieren, bzw. auf die gleiche Art gefundene Items einsammeln könnt.

Damit das Game aber nicht zu schnell vorbei ist, einfach indem Ihr immer fleissig den Horror-Monitor aktiviert, ist dessen Verwendung an Euren Adrenalin-Vorrat geknüpft. Der ist nicht sehr groß und oft springt der Horror-Monitor zu allem Überfluß auch auf leere Stellen an, was zusätzlich an Euren Kräften zehrt. Etwas einfacher wird das Ganze nur dadurch, dass Euch Eure Sinne - Sehen, Hören, Riechen und der Sechste Sinn - durch mehr oder wenige heftige Ausschläge Anhaltspunkte geben, wo es gefährlich werden könnte, bzw. wo Items versteckt sind.

Es gibt allerdings noch Einiges mehr zu beachten, als Adrenalin und Item-Vorrat. Auch Erikos Herzschlag, der Grad verletzungsbedingter Blutungen und Ihre Lebensenergie sind z.B. zu berücksichtigen. Besonders wichtig kann dies in Kämpfen werden. Begegnen Euch ein oder mehrere Gegner definiert das Spiel ein kleine, oft sehr beengte blau unterlegte Kampfzone innerhalb der aktuellen Location, in der Ihr um Euer Leben kämpft. Ist die Sache aussichtslos könnt Ihr Euch aber jederzeit durch kräftiges Winken von einem kleinen Helikopter (!) aus dem Kampf retten lassen. Resultat: Ihr spielt da weiter, wo Ihr auf den Gegner getroffen seid, die Kampfzone ist mitsamt Gegner verschwunden.

ScreenshotAm Ende jeder Stage warten ein mehr oder weniger mächtiger Endgegner, der oft nur mit List und Tücke zu besiegen ist und vor dem neben Suche, Fallen entschärfen und Kämpfen auch schon mal eine rafinierte Jump and Run Passage und die eine oder andere Überraschung mehr liegen kann. Zum Glück wird nicht nur das Game schwerer, auch Eure Möglichkeiten steigen mit fortdauernder Spielzeit. So könnt Ihr z.B. Freunde retten, bzw. gegen Geld wiederbeleben lassen oder ganz simpel Eure Kräfte durch spezielle Operationen z.B. am Gehirn oder dem Blutkreislauf steigern. Trotzdem solltet Ihr nicht darauf verzichten, regelmässig in den spärlich verteilten Photoautmaten Euren Spielstand zu speichern!

Immer wieder gehörter Kritikpunkt an Illbleed ist die angeblich verhunzte Steuerung. Nach kurzer Einspielzeit sollte sie halbwegs geübten Adventure-Fans aber locker von der Hand gehen. Es ist nämlich nicht so sehr die Steuerung, als vielmehr der eingeschränkte Aktionsradius in den Kämpfen, der eigentlich gewöhnungsbedürftig ist. Ich sage es ganz offen: Wer wirklich mal eine verhunzte Steuerung sehen will, der ist bei Extermination (PS 2) wesentlich besser aufgehoben, als bei Illbleed! Das ist auch gut so, denn in der Welt von Illbleed müsst Ihr so manchen Kilometer zu Fuß zurücklegen, bevor Ihr alle Geheimnisse der kranken Welt von Michael Reynolds gelüftet habt.

Die Atmosphäre
Reden wir nicht lange drumherum: Optisch und akustisch wäre mehr drin gewesen! Zumindest hätte es sein sollen, wenn man im Vorfeld der Veröffentlichung den Mund zu voll nimmt und den Spielern reihenweise volle Hosen prophezeit! Zwar ist der Theme Park ansprechend gestaltet und bietet nicht nur spielerisch, sondern auch optisch in den einzelnen Stages jede Menge Abwechslung. Was allerdings auffällt, ist der weitgehende Verzicht auf Hintergrundanimationen, die dem Spiel thematisch und atmosphärisch gut zu Gesicht gestanden hätten. Auch Cut-Scenes -FMVs sucht Ihr völlig vergebens- kommen leider etwas zu kurz.

Manchmal irritieren auch die einzelnen Parkattraktion durch Ihre unterschiedlichen Qualitäten. Habt Ihr Euch eben noch als Holzmännchen in atmosphärisch guten Locations gegen Monsterholzfäller behauptet, findet Ihr Euch zum Dank in einem verhältnismässig trist und entäuschendem Killerkaufhaus wieder.

Soundtechnisch stimmts eigentlich, etwas mehr verschiedene Sound-Scores hätten es aber schon sein dürfen. Die Qualität der Sprecher schwankt leicht, Totalausfälle wie schon in sovielen Spiele-Synchros erspart uns Illbleed zum Glück. Nur schade, das es in der Grafikabteilung nicht mal zur Erstellung von Lippenbewegungen gereicht hat, um von lippensynchron gar nicht erst zu reden.

Mehr als von der Optik lebt und überzeugt Illbleed durch die Ideen der Entwickler. Bucht man die Optik und Sound Makos unter dem offenbar gewollten B-Movie-Charme ab, findet man zahlreiche innovative Ideen, die zwar sicher nicht Eure Hose nass machen, aber doch immer wieder zu anerkennendem Schmunzeln führen sollten! Ein klarer Kauf, wenn auch eher für die etwas geduldigeren Sachensucher unter Euch!

fazit

Ich versteh die Welt nicht mehr! Da wird gejammert, geweint und geschimpft, es fehle an Innovationen, die immer gleichen Spiele würden uns möglichst fünfmal verkauft und gleichzeitig wird ein Spiel wie Illbleed im englischsprachigen Raum mit Wertungen irgendwo zwischen 50 und 70 Prozent brutal niedergebügelt.

Fast wäre ich darauf reingefallen, wollte mich schon über das vermeintlich rausgeschmissene Geld aufregen, als ich lustlos Illbleed in die Konsole warf... Und schnell bemerkte: Die spinnen die Amis!

Ja, Illbleed ist anders! Es braucht zugegebenermassen etwas Zeit, bis man damit warm geworden ist und mehr als einmal hätte es noch ein Quentchen mehr Feinschliff sein dürfen. Doch trotz dieser Unvollkommenheit gibt es für mich keinen Zweifel: Illbleed ist ein kurzweiliger, innovativer Zock der sich seinen festen Platz in meiner Spielesammlung redlich verdient hat. Nicht ganz lupenrein und trotzdem ein kleines Genre-Juwel! (aw)


grafik: 7.5 | sound: 7.5 | gameplay: 9.0 | gesamt: 8.5
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